Alle zum Ball - Die Knäuelbildung im Kinderfußball
... und warum Jürgen Klopp begeistert wäre
Wenn ich hier im Artikel den Begriff „Kinderfußball“ nutze, dann um das Spiel der kleinsten Stars bis zur U9 zu beschreiben. Viele Fachleute zählen auch noch die U10 oder sogar U11 dazu, aber darüber gehen die Meinungen zu stark auseinander und dies ist hier nicht Thema.
Am Spielfeldrand bei einem Kinderfußballspiel ist es oft sehr interessant, der Kritik der Erwachsenen am laufenden Spiel zuzuhören.
Ego-Fummler, Fehlpässe und mangelnde Einsatzbereitschaft
Bei der Kritik geht es meistens gar nicht um technische Mängel einzelner Kinder, dafür hat man noch Verständnis. Oft stört der „Fummler“, der nie den Ball abgibt oder das genaue Passspiel des Teams ist noch ausbaufähig. Mangelnde Einsatzbereitschaft oder Unkonzentriertheit werden auch schnell als Grund dafür erkannt, dass ein Spiel verloren geht.
Der Trainer macht keinen guten Job
Soweit so gut, besser wohl „schlecht“, aber es geht noch schlimmer. Es sind nicht nur die einfachen Dinge, die im Kinderfußball kritisiert werden, es geht noch komplexer. Damit sind wir bei den taktischen Mängeln. Es gibt Begriffe wie Pressing, Gegenpressing, Wandspieler, Spielsystem, Raumaufteilung und einige mehr, die viele schon gehört haben und ihr Wissen am Spielfeldrand gerne weitergeben. Dann ist auch mal schnell der Trainer in der Schuld, der den Kindern viel zu wenig dieser wichtigen Inhalte im Training vermittelt.
Die Umsetzung von taktischen Elementen des Fußballspiels wird bei den Kindern schmerzlich vermisst… aber fehlen die wirklich?
Mein Ball, mein Spiel – Kinder sind egoistisch
Die taktischen Feinheiten des Fußballs fehlen also im Kinderfußball und das ist auch gut so, es ist absolut ok. Sagt man dies Erwachsene, erntet man häufig verwirrte Blicke, manchmal auch ein Kopfschütteln. Einfach sowas sagen wird in den wenigsten Fällen ausreichen, es muss also erklärt werden.
Ein Kinderfußballspiel erkennen wir als unorganisiert. Es gibt kein Teamspiel, es sei denn, es ist dressiert und die eigentlichen Grundsätze in der Fußballerausbildung für diese Altersklassen werden im Training vernachlässigt. Es steht nur wenig Trainingszeit zur Verfügung und die sollte man nutzen, um altersgerecht zu trainieren. Mit der entsprechenden Kritik sollte man als Trainer umgehen können.
Die jungen Kids kennen „Teamspiel“ gar nicht, damit können sie nichts anfangen. Es gilt das Prinzip „mein Ball, mein Spiel“. Mehr wollen Kinder erstmal gar nicht und sie wissen, was sie wollen. Selbst das Üben im Team ist nicht wirklich der Hit, schon gar nicht mit Wartezeiten. Manche Kinder kennen nicht einmal den Namen ihres Vereins und selbst der Name des Trainers ist unbedeutend. Kinder sind egoistisch und dies ist wichtig für ihre weitere Entwicklung. Wie können wir erwarten, dass sie Teamarbeit verstehen und noch schlimmer, feste Positionen auf dem Spielfeld?
Perfekter Einstieg: Die Knäueltaktik im Kinderfußball
Was wir im Kinderfußball an Taktik erkennen, ist die sogenannte „Knäuelbildung“, Kurz erklärt: Alle zum Ball, jeder gegen jeden. Der Magnet ist der Ball, dahin orientieren sich die Kinder … kennen wir das nicht aus dem Jugend- und Erwachsenenfußball?
Ja, Jürgen Klopp wäre begeistert! Die Knäueltaktik ist Pressing und Gegenpressing, sie ist das Verschieben zum Ball ins seiner reinsten Form. Im Trainertalk schrieb vor einiger Zeit Dirk, besser kann man gar nicht ballorientiert verteidigen. Zugegeben, etwas übertrieben, aber warum sollen wir es den Kindern abtrainieren, um ihnen es später verzweifelt wieder anzutrainieren.
Kinder sind ja nicht doof, sie finden schnell heraus, dass fünf von uns gegen einen aus der anderen Mannschaft, wahrscheinlich Ballgewinn bedeutet.
Das Ganze ist für Erwachsene schwer verständlich, denn Fußball geht eigentlich anders. Kinder lernen so Probleme zu lösen, kreativ zu sein und frei fußballerische Fähigkeiten zu entwickeln. Sie lernen so, sich auf engstem Raum zu behaupten, die Angst vor Körperkontakten zu verlieren und ihr Handeln der aktuellen Spielsituation anzupassen. Der Trainer steht dabei hilfreich zur Seite und fördert alle Kinder gleichermaßen, auch die, die sich noch nicht so „trauen“.
Später wird das Spiel strukturierter, wenn die Kinder keine Angst mehr vor Zweikämpfen haben und wissen, was zu tun ist, wenn der raum eng wird.
Wir Erwachsenen und insbesondere die Trainer sollten sich keine Sorgen machen, wenn die Kinder die „Knäueltaktik“ umsetzen. Es zahlt sich irgendwann aus, lasst sie spielen.
Uwe Bluhm