Wenn nicht jetzt, wann dann? - Teil 2

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Die deutsche Nachwuchsförderung braucht ein grundsätzliches Umdenken!

2. „Chelsea hat eine fantastische U 19, mit acht englischen Spielern im Kader. Aber von den Jungs spielt keiner bei den Profis. Vielleicht wird mal einer eingewechselt. Die Engländer haben genügend talentierte Spieler …

Wieder richtig, Herr Flick. Die Engländer sind wirklich weit vorne, was Top-Talente angeht. Herr Flick bemängelt allerdings, dass kaum einer von Ihnen bei den Profis spielen. Genau und deswegen kommen diese Top-Talente immer mehr nach Deutschland und stoßen sich hier als „Fußballer“ ihre Hörner ab und wechseln dann zurück in die englische Liga. Ich bitte dich, wollen wir wirklich, dass unsere geliebte Bundesliga zu einer „Ausbildungsliga“ englischer Jungmillionäre wird? Wenn wir weiterhin im Weltfußball eine gewichtige Rolle spielen wollen, dann müssen wir jetzt gegensteuern und da geht es erst einmal strategisch darum, dass wir mittelfristig ebenfalls mehrere fantastische U19 Mannschaften besitzen, mit möglichst vielen deutschen Spielern im Kader. Eine Quotenregelung hierzu brauchen wir nicht. Die Quotenregelung hatte für mich nie eine echte Chance…einfach deswegen, weil die Qualität alleiniges Kriterium sein muss Punkt. So einfach ist das und im Klartext heißt das: ausbilden, ausbilden und zwar von Top-Trainern, die angemessen bezahlt werden!

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1. „Aber gerade in den Bereichen der kognitiven Fähigkeiten und Stressresistenz können unsere Talente noch deutliche Fortschritte machen. Das Thema ist hochspannend und wird von allen Nationen vorangetrieben. Damit können wir nicht warten, bis in drei Jahren die DFB-Akademie steht. Wir müssen jetzt mit den 16-Jährigen beginnen, die können in drei Jahren schon Nationalspieler sein.

Die DFB-Akademie steht mittlerweile und ja, auch im Bereich des kognitiven Trainings ist seitdem eine Menge und Gutes passiert. Und ich bin mir sicher, hier wird seitens des DFB versucht, mit richtig viel Tempo den Bock umzustoßen. Wettbewerbsvorteile werden in diesem Bereich allerdings nicht beginnend mit den 16-Jährigen erzielt, sondern viel viel früher…im Kinderfußball. Die Lösung lautet daher schlicht und einfach: Der DFB muss in die Vereine und die Bedeutung des kognitiven Trainings mit Leib und Seele promoten. Regelmäßig, nachhaltig und flächendeckend. Ich vermute aber, dass es sich so verhalten wird, dass die DFB-Akademie hierfür eine Trainerausbildung anbieten wird. Diese Ausbildung wird mit Sicherheit qualitativ top sein, aber auch wieder für viele interessierte Trainerkollegen unbezahlbar oder aufgrund vieler „Voraussetzungen“ kaum erreichbar sein. Selbst wenn der Geldbeutel und die Voraussetzungen kein Thema sein sollten, vielleicht sind es dann die zu langen Wartelisten…

2. „Wir müssen sie ermuntern, sich spielerisch auszutoben. Ich möchte Spieler haben, deren Stärke das Eins-gegen-eins ist und die sich auch trauen, diese Qualität einzusetzen. Wer es schafft, seinen Gegenspieler auszuspielen, beschert seiner Mannschaft einen Riesenvorteil, weil dann das Gebilde des Gegners zerfällt.

Dear Mr. Bundestrainer, ja ja und nochmals ja. Machen wir uns ehrlich: überwiegend das Gegenteil geschieht in den NLZs: Wir ermahnen eher, wir Instruieren viel und verhindern enorm. Als ich im April 2022 in den Niederlanden bei Twente Enschede war, konnte ich folgendes beobachten: selbstbewusste dribbelstarke U15-Spieler, die auch von den Trainern ermuntert worden sind, ihre Qualitäten einzusetzen. Und vergessen wir nicht unsere französischen und belgischen Nachbarn. Hier wird das mit Authentizität vorgelebt, was Herr Flick vorschwebt. Warum ist es in Deutschland überhaupt so weit gekommen, dass wir keine Eins gegen Eins –Spieler mehr ausgebildet haben? Ich habe mich darüber ausführlich mit dem Profitrainer Peter Hyballa unterhalten bzw. gestritten. Im Fußball-Zeitalter der „totalen Flexibilität“ haben wir es hingekriegt, unsere Spieler gleichförmig auszubilden. Das mit Persönlichkeiten besetzte Kollektiv im One-Touch-Modus sollte es richten. Der Kreativspieler (Unterschiedsspieler) stand nicht auf der Ausbildungs- Agenda. Das Außergewöhnliche musste der Schwarmintelligenz weichen…der Weltmeister-Titel 2016 in Brasilien war die Bestätigung und doch zugleich der Ansatzpunkt für das Antizipieren des Fußballs von morgen. Der heutige Fußball 2022 braucht nicht nur den sicheren Spielaufbau und Übergang (Systemfußball), sondern auch die mutigen und risikobewussten Spieler im Angriffsdrittel, sprich die Kreativspieler. Der Kreativspieler braucht neben seiner Spielkreativität auch eine hohe Spielintelligenz, um z.B. gegen gut organisierte und kompakt verteidigenden Mannschaften unter höchstem Entscheidungsdruck sich ständig an neue Spielsituationen anzupassen bzw. vorteilhafte Spielsituationen zu kreieren. Selbst schon ein geschicktes Andribbeln um einen Verteidiger zu binden bzw. aus der Verteidigungsformation zu locken, kann dann Torgefahr bedeuten, wenn dadurch entstandene „Freiräume“ von Mitspielern im richtigen Augenblick antizipiert und genutzt werden. Nach meiner festen Überzeugung ist der heutige System-Fußball fast an seine Grenzen angelangt Wir brauchen deshalb heute mehr denn je diesen spielintelligenten und kreativen Spieler. Denn nur diese Spieler gewährleisten eine Art „Anarchie“, ein erfolgreiches Spektakel auf dem Platz, die uns Fans wieder in Scharen in die Stadien treibt.

Der (fast) perfekte Ausblick: Der kollektive Rhythmus (Spielerhirne im Gleichtakt)

Im besten Falle hört die Mannschaft auf sich selbst-“ - Matthias Nowak

Ich weiß, was Du jetzt denkst. „Der Nowak hat sie nicht mehr alle“. Und vielleicht hast Du sogar recht. Als Cheftrainer war Ernst Happel mein großes Vorbild. Auch Herr Happel hatte schon zu seiner Zeit bereits frühzeitig gewarnt: „der Fußball wird immer schneller, aber auch immer primitiver.“ Klingt erst einmal widersprüchlich zu dem, was ich bisher geschrieben habe. Aber nur auf den ersten Blick. Ich durfte oft das Training von Pep Guardiola beim FC Bayern beobachten. Was für ein Trainer, was für eine Energie und was für eine Leidenschaft! Dennoch steht Herr Guardiola für mich exemplarisch für viele erfolgreiche Trainer der heutigen Zeit. Man will als Trainer auch im Spiel der große Strippenzieher sein. Man traut letztlich den Spielern nicht über den Weg…man weiß es besser, zu jeder Zeit und in jeder Spielsituation. Dieses Jahr ist Real Madrid mit Herrn Ancelotti Champions-League-Sieger geworden. Nach allen „neuesten Erkenntnissen aus Big Data“ hätte es Real Madrid niemals werden dürfen. Was Big Data nicht liefert, sind „Freiheiten und Freiräume und Eigenverantwortung der Spieler“. Um wieviel mehr an Wettbewerbsvorteilen wird es bei einer kohärenten Mannschaft geben, die quasi im kollektiven Rhythmus spielt und die sich je nach Spielsituation auf dem Platz immer wieder neu synchronisieren und somit schnellstmöglich anpassen kann. Ganz ohne Trainer also, dafür ganz aus sich selbst und vor allem nonverbal. Ich bin mir sicher, Ernst Happel würde das sehr gefallen. Klar, bis dahin ist es noch ein langer Weg, aber ein begehbarer Weg. Wir sollten aber auch anfangen, ihn zu gehen. Wie konkret dieser Weg auszusehen hat, darüber lässt sich vorzüglich streiten. Aber in einer gesunden Streitkultur (wo gibt es die überhaupt noch, wenn nicht bei uns im Fußball), kann es zu einem echten Wettbewerb um die besten Ideen kommen. Vergessen wir nicht: Wir sind das Land der Dichter und Denker, will heißen: Wir sollten uns also verpflichtet fühlen, Wissenschaft und die (Ball-) Kunst miteinander zu verbinden.

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