Der Frust der Fußballtrainer im Breitensport
Immer schön locker bleiben
Bereits seit 2016 ist im Soccerdrills-Fußballtrainerforum Trainertalk.de ein Thema immer wieder aktuell, der Frustabbau-Thread. Mehr als 1.900 Postings und 254.000 Aufrufe (Stand November 2018), der Frustabbau-Thread gehört zu den stärksten Themen im Forum.
Ernst Ternig hat sich mit den Inhalten beschäftigt und festgestellt, dass die Erwartungshaltung der Trainer stark abweicht von der Realität. Es gibt viele Fachleute, nur der Trainer hat keine Ahnung.
Trainer im nicht bezahlten Fußball sind vielfältigen Stresssituationen ausgesetzt, die immer mal wieder für Frust sorgen. Das kann ganz verschiedene Gründe haben und je nach Emotionslage zu einer mehr oder weniger großen Belastung führen.
Im Thema tauschen sich vor allem Trainer aus dem Kinder- und Jugendbereich aus. Das liegt wohl daran, dass die Akteure in diesen Altersklassen stärker sensibilisiert sind und dadurch Frustsituationen häufiger entstehen als im Erwachsenenbereich. Damit soll aber nicht gesagt werden, dass Trainer im Seniorenfußball nicht an die Grenzen ihrer Frustrationstoleranz geraten.
Schauen wir uns zuerst die Ausgangssituation der Trainer im Amateurbereich an, denn hier ist die Basis, auf der sich Frustsituationen leicht entfalten können. Die Trainer sind in der Regel berufstätig und üben das Coaching neben Familie und Job meistens ehrenamtlich aus und sie stehen so unter einem hohen Zeit- und Organisationsdruck. Gleichzeitig und das kann man im Trainertalk immer wieder beobachten, sind sie unglaublich engagiert, haben hohe Ansprüche an ihre Tätigkeit, bilden sich laufend fort und entwickeln sich immer weiter. Dies ist nur eine harmlose Umschreibung für Idealisten und das ist im besten Sinn gemeint. Auf dem Boden dieser Gemengelage können Frustsituationen durch verschiedene äußere und/oder innere Einflüsse entstehen.
Frustrierte Trainer - Erwartungshaltung und Realität
Fangen wir mal mit dem „normalen“ Frust an, der seinen Ursprung in der Diskrepanz zwischen Erwartungshaltung und Realität hat. Ausgehend von seinen eigenen Erfahrungen, seinem Wissensstand, seinen Ansprüchen und dem „Spielermaterial“ hat jeder Trainer eine gewisse Vorstellung davon, was er mit seiner Mannschaft erreichen will, er hat konkrete Ziele.
Im Erwachsenen- und höheren Jugendalter ist dies häufig am Erfolg orientiert, im Kinderbereich eher am Anspruch, den Kindern den Spaß am Fußball und motorische Grundfertigkeiten zu vermitteln. Wenn das nicht funktioniert, macht ein guter Trainer sich Gedanken, woran das liegen kann und versucht alles in seiner Macht Stehende, um etwas an diesem Zustand zu ändern.
Manchmal ist das aber nicht möglich und ständig wiederkehrende negative Erlebnisse führen zwangsläufig zu Frust. Im Trainertalk wird darauf hingewiesen, dass beispielhaft Dorfvereine einfach nicht über ausreichend personellen Kapazitäten verfügen, damit über Jahre ständig auf einem hohen Niveau gespielt werden kann und kassieren häufig Niederlagen, manchmal sogar richtige Klatschen. Dann löst das Gefühl der Ohnmacht beim Trainer natürlich Frustgefühle aus.
Endlose Gespräche und Diskussionen
Hinzu kommen äußere Einflüsse, die nicht unbedingt dazu beitragen, dass der Trainer sich verstanden fühlt und sein Einsatz adäquat honoriert wird. Wir kennen es von Weltmeisterschaften oder Bundesligaspielen, wenn Tausende im Stadion oder sogar Millionen von Trainern am Fernseher sitzen und alles besser wissen.
In den unteren Spielklassen bekommen Trainer solche Reaktionen unmittelbar zu spüren, weil die Zuschauer direkt am Spielfeld oder am Trainingsplatz stehen und damit ganz in ihrer Nähe agieren. Der Kontakt zu den Fans und Eltern ist deutlich enger, es kommt automatisch zu vielen Gesprächen und Diskussionen. Auseinandersetzungen über die Trainerfähigkeiten verlaufen leider nicht auf rationaler Basis. Erklärungen vom Trainer, warum diese Aufstellung oder jenes Spielsystem gewählt wurde oder diese Trainingsschwerpunkte im Vordergrund stehen, treffen oft auf völliges Unverständnis. Und das nur, weil Ergebnisse nicht mit den Vorstellungen der Kritiker übereinstimmen und deren Einschätzungen sind oft völlig unrealistisch und praxisfremd.
Alles Fachleute, nur der Trainer nicht
Im Trainertalk wird berichtet, dies ist insbesondere bei Eltern zu beobachten, die meinen, dass ihre Kleinen schon im Bambini-Bereich wie die Profis auf Erfolg gedrillt werden sollen. Da kann der Trainer zum zigsten Mal erklären, dass es in dieser Altersklasse noch nicht um fußballspezifische Themen geht, sondern um die grundsätzliche Heranführung an Bewegung. Spielt aber keine Rolle, wird überhört oder nicht verstanden, trifft immer wieder auf Unverständnis und das ist natürlich frustrierend.
Der Trainer als Alleinunterhalter und Erziehungsbeauftragter
Vor allem, weil solche Diskussionen von den Eltern, meistens sind es heute noch die Väter aber zunehmend auch die Mütter, sehr hitzig geführt werden. Es geht schließlich um sehr viel, jeder will, dass sein Kind möglichst erfolgreich ist. Mitunter geht die Einmischung sogar so weit, dass den Trainern vorgeworfen wird, dass sie ihre Erziehungsaufgabe nicht wahrnehmen. Da drängt sich natürlich der Gedanke auf, ob so nicht eigene Probleme der Eltern auf andere projiziert werden.
Verstärkt wird die Stressproblematik noch dadurch, dass Trainer oft Einzelkämpfer und für alles verantwortlich sind. Kleine Vereine haben Probleme Menschen zu finden, die bereit sind, neben ihrer Berufstätigkeit einen Großteil ihrer Freizeit für ehrenamtliche Dienste zu opfern. So sind die Trainer dann Mädchen für alles, werden durch die vielfältigen Aufgaben zunehmend gestresst und ihre Frustrationstoleranz sinkt.
Wollen alle Kinder Fußballspielen?
Kommen wir zu den negativen Faktoren, die sich auf die Gemütslage des Trainers auswirken können und direkt durchs betreute Team ausgelöst werden.
Man kann sich das sehr schön am Beispiel eines kleinen Dorfvereins vor Augen führen und wieder am Beispiel Kinderbereich verdeutlichen. Übrigens, dies ist zunehmend nicht nur ein Problem auf dem Dorf, durch den demografischen Wandel hat der „Kampf“ um Kinder längst begonnen, nicht nur zwischen den Fußballvereinen, auch unter den Sportarten. Wie oben bereits erwähnt, ist die Spielerauswahl begrenzt und dementsprechend die Möglichkeiten. Eine homogene Mannschaft kann so nicht zusammengestellt werden.Hinzu kommen die Verhaltensweisen der Spieler und Spielerinnen im Training und auf dem Platz.
Kleinkinder, die von ihren Eltern im Fußballverein angemeldet werden, wissen überhaupt noch nicht, ob dieser Bewegungs- und Sportbereich die richtige Auswahl für sie ist. Vielleicht möchten sie ihren Idolen, die sie jede Woche im Fernsehen beobachten, nacheifern. Dann ist immerhin ein gewisser Eigenantrieb vorhanden, vielleicht werden sie aber nur auf Drängen der Eltern zum Fußball geschickt und dann sieht es mit der Motivation eventuell schon anders aus.
Teil eines Fußballteams zu sein bedeutet soziale Verantwortung. Es gibt feste Trainingszeiten und Spieltage und dort sollte Anwesenheit eine Pflicht sein. Dazu gehört eine gewisse Sozialkompetenz, die Einsicht eigene Bedürfnisse hinter die des Teams zu stellen. In Zeiten des Funsports und begrenzter Freizeit, ist diese Einsicht nicht immer selbstverständlich.
Mannschaftsregeln, aber niemanden interessierts
Hinzu kommt natürlich der Aspekt, dass die Kids noch in der Entwicklung sind und es charakterliche Unterschiede gibt. Ein guter Trainer weiß das und wird versuchen im Training und im Spielbetrieb darauf einzugehen, kann aber ganz schnell an seine Grenzen stoßen. Wie soll er reagieren, wenn bestimmte Kinder immer wieder zu spät oder überhaupt nicht zum Training kommen? Die Kinder können im Regelfall nichts dafür, weil die Eltern sie zum Treffpunkt fahren und davon sind sie abhängig. Ein Kind für das Fehlverhalten seiner Eltern zu bestrafen, ist pädagogisch der falsche Ansatz. Der Trainer sollte hier das Gespräch mit den Eltern suchen und auf Einsicht hoffen.
Oder was passiert mit den kleinen Träumern, die zwar auf dem Platz stehen, aber doch nicht richtig bei der Sache sind? Und was ist im Gegensatz dazu mit den überpräsenten Kindern, die vom Elternhaus schon total auf Erfolg getrimmt sind? Für den Trainer stellt sich dann die Frage, wer darf spielen? Wird Leistung und Trainingsfleiß belohnt oder steht doch eher der Gedanke der Förderung und der Heranführung an Bewegung im Vordergrund?
Darüber muss jeder Trainer Gedanken nachdenken und ein Konzept entwickeln, das er für sich und nach außen vertreten kann. Das Frustpotenzial ist in diesem Spannungsfeld sehr groß, denn der Trainer sollte einerseits möglichst allen Beteiligten gerecht werden. Andererseits wird es Kritik von Eltern und Vereinsmitglieder geben, egal welche Entscheidung der Trainer trifft, hier kommen wieder die selbst ernannten Experten und Besserwisser ins Spiel.
Der Trainerjob ist toll!
Dieses Thema wird im Thread des Trainertalks sehr ausführlich thematisiert und man kann erfreulicherweise feststellen, dass sich die meisten Trainer, die sich dort äußern, ausführlich mit diesem Thema auseinandersetzen und sich mit ihren Beiträgen gegenseitig beflügeln. Das ist sehr lobenswert und eine Möglichkeit für sie, eine gefestigte Meinung und Einstellung zu entwickeln, die sie gegen Angriffe von außen selbstbewusst vertreten können. Ein probates Mittel, gelassener mit solchen Situationen umzugehen, Frust vorzubeugen und eigene emotionale Reaktionen zu kanalisieren.
Was im Thread auffällt, viele Trainer betonen, dass gerade der Umgang mit den Kindern und das positive Feedback viel höher als die negativen Einflüsse zu bewerten sind. Dies ist natürlich eine wunderbare Art, den Frustlevel zu senken.
Dieser Artikel beleuchtet nur wenige Inhalte aus dem Thread, die bei Fußballtrainern Frust auslösen können, aber immer wieder erwähnt werden und deshalb besonders auffallen. Es gibt noch ganz viele andere Situationen, die in dem Zusammenhang genannt werden könnten. Als Fazit wird festgestellt, dass es einerseits viele Frust verursachende Faktoren gibt, andererseits aber engagierte und lernfähige Trainer, die in der Lage sind, sich im Laufe der Zeit immer besser auf die Probleme einzustellen. Drittens darf man die Tatsache nicht vergessen, dass Trainer viel Positives zurückbekommen, wofür sich der Aufwand lohnt und das bestimmt nicht nur im Kinderbereich.
Ernst Ternig