Erstere definiert sich durch das Zusammenwirken motorischer Einheiten innerhalb eines Muskels oder anders ausgedrückt: Wie viele Muskelfasern können maximal schnell und möglichst gleichzeitig aktiviert werden.
Die intermuskuläre Koordination beschreibt das Zusammenspiel von mehreren Muskeln miteinander, also einzelnen Muskelketten oder auch Agonist und Antagonist (zwei gegensätzlich wirkende Muskeln).
Die Informationsaufnahme erfolgt hierbei über den optischen, akustischen, taktilen, kinästhetischen und/oder vestibulären Analysator. Im Weiteren werden diese Informationen auf unterschiedlichen Ebenen des ZNS über so genannte afferente Bahnen weitergeleitet und verarbeitet, bevor sämtliche Ausführungs- und Korrekturmuster im motorischen Speicher abgefragt werden. Erst dann erfolgt über efferente Bahnen der Impuls für die Muskelaktivierung, der schließlich zur Bewegungsausführung führt. Gleichzeitig läuft ein Soll-Ist-Wert-Vergleich ab, der eine entsprechende Korrektur der Bewegung ermöglicht. Dabei werden neue Bewegungserfahrungen unmittelbar im motorischen Speicher festgehalten.
Ein Beispiel soll dies verdeutlichen:
Koordination am Beispiel eines Torabschlusses - Torerfolg ja oder nein!
Ein Stürmer erkennt (optischer Analysator) mit der Ballannahme im Strafraum die Möglichkeit zum Torschuss. Im Folgenden werden sämtliche Bewegungserfahrungen abgerufen, die einen möglichst großen Erfolg versprechen. Ihm steht also eine Auswahl verschiedener Handlungsstrategien zur Verfügung:
- Verwendung einer bestimmten Schusstechnik (z.B. Schlenzen oder Vollspann)
- Platzierung des Balls (z.B. ins kurze oder lange Eck)
- Art der Aktionsausführung (z.B. im Eins-gegen-Eins gegen den Torwart oder unmittelbar aus der Distanz).
Unser Spieler entscheidet sich hier für die direkte Verwertung mit dem zweiten Kontakt flach ins lange Eck. Im Moment der Ballannahme verspringt jedoch der Ball aufgrund einer Unebenheit des Platzes. Aufgrund seiner bereits gemachten Bewegungserfahrung weiß er, dass die Wahrscheinlichkeit eines erfolgreichen Torabschlusses nun relativ gering ist sollte er an seinem ursprünglichen Plan festhalten. Folglich korrigiert er seine vorherige Entscheidung, bringt den Ball zunächst möglichst schnell unter Kontrolle, geht ins Eins-gegen-Eins mit dem Torwart und schließt dann ab.
Das Resultat dieser Aktion (Torerfolg ja/nein) wird wiederum in Verbindung mit dieser konkreten Situation und seiner hier getroffenen Entscheidung als neue Bewegungserfahrung im motorischen Speicher festgehalten.
Unharmonische Bewegungsabläufe und Fehleinschätzung von Spielsituationen bei Kindern oder Untrainierten mangels Erfahrung, Verletzungen oder psychologische Faktoren wie Angst und Druck
Wie dieses Beispiel zeigt, sprechen wir hier von äußerst komplexen Vorgängen, die innerhalb kürzester Zeit ablaufen. Ist die Funktionalität der Analysatoren (z.B. das Sehvermögen) eingeschränkt, läuft die Informationsverarbeitung im ZNS oder die Bewegungsausführung in der Muskulatur aufgrund einer Verletzung nicht optimal ab. Fehlt dabei wie häufig bei Kindern oder Untrainierten die Erfahrung, oder werden Spieler durch psychologische Faktoren wie Angst und Druck beeinflusst, entstehen oftmals unharmonische Bewegungsabläufe. Daraus resultierende Kompensationsbewegungen verringern deren Effektivität und das Gleichgewicht wird beeinträchtigt. Dies birgt wiederum ein erhöhtes Verletzungsrisiko.
Auch die Fehleinschätzung von Spielsituationen ist deutlich wahrscheinlicher was wiederum zu falschen individuellen Entscheidungsprozessen führt.
Gezieltes Koordinationstraining erweitert den Erfahrungsschatz an Bewegungsmustern eines Spielers
Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass ein gezieltes Koordinationstraining den Erfahrungsschatz an Bewegungsmustern eines Spielers erweitert und somit die Wahrscheinlichkeit auf Erfolg bezüglich seiner Handlungsstrategien und Entscheidungskompetenzen erhöht. Die effektivere intermuskuläre Koordination bewirkt eine Ökonomisierung der Bewegungsabläufe und die verbesserte Propriozeption (Wahrnehmung vorwiegend durch den kinästhetischen Analysator) verringert das Verletzungsrisiko.
Wie sieht nun ein effektives Koordinationstraining aus?
Die Sportwissenschaft bietet uns hier unterschiedliche Lösungsansätze:
Rhythmisierungs- und Kopplungsfähigkeit. Die Verbesserung dieser jeweiligen Fähigkeiten ist ein guter Ansatz. Um der Komplexität eines Fußballspiels, das jedem einzelnen Spieler aufgrund einer Vielzahl von Einflüssen eine ständig variierende situative Beurteilung abverlangt, ist dieses Modell allerdings viel zu unspezifisch.
Einen weitaus detaillierteren Ansatz liefert das Modell von Neumaier (2003), der die koordinativen Anforderungen von Bewegungsaufgaben in Informationsanforderungen und -verarbeitung sowie Druckbedingungen aufteilt. Ergänzt werden diese durch die sportliche Fertigkeiten, d.h. einerseits die Grundbewegungen wie das Laufen oder Springen und andererseits die fußballspezifische Technik, sprich Passen, Schießen, Flanken, usw.. Neumaiers Modell beinhaltet also nicht nur die differenzierte Wahrnehmung durch die unterschiedlichen Analysatoren und das Zusammenspiel von ZNS und Skelettmuskulatur, sondern geht darüber hinaus auch auf die situative Variabilität, beeinflusst durch den Zeit-, Präzisions-, Komplexitäts-, Situations- und Belastungsdruck, ein.
Ein Beispiel soll dies verdeutlichen:
Druckbedingung | Aktion |
Präzisionsdruck | Spieler A passt den Ball optimal getimed und exakt in den Laufweg von Spieler B |
Zeitdruck | Da Spieler B den Ball in maximalem Sprinttempo fordert, hat Spieler A dafür nur ein kurzes Zeitfenster, damit B sich nicht in einer Abseitsposition befindet. |
Situationsdruck | Der Gegner will Spieler A jedoch durch aggressives Pressingverhalten an seinem Vorhaben hindern. |
physischer Belastungsdruck | Spieler A hat bereits 92 Minuten gespielt. Er ist also vorermüdet. |
physischer Belastungsdruck | Es handelt sich dabei um ein K.o.-Spiel, wobei die Mannschaft von Spieler A mit einem Tor in Rückstand ist. |
Komplexitätsdruck | Nach seinem Abspiel bietet sich Spieler A durch optimales Freilaufverhalten erneut als Anspielstation an, um eine erfolgreiche Spielfortsetzung zu garantieren. |
Jede Erhöhung einer Druckbedingung führt in der Regel zu einer eingeschränkten Wahrnehmung oder Informationsverarbeitung und steigert folglich die Wahrscheinlichkeit einer unsauberen Bewegungsausführung beziehungsweise situativen Fehlentscheidung.
Die Kunst eines effektiven Koordinationstrainings ist es,
- auf die optimale Ausführung der Grundbewegungen und fußballspezifischen Technik zu achten,
- die Wahrnehmung durch die unterschiedlichen Analysatoren zu schulen und
- dabei sämtliche Druckbedingungen langsam zu erhöhen.
Ziel sollte es sein, den Spieler im Training koordinative Höchstleistungen abzuverlangen mit dem positiven Nebeneffekt, dass er nicht nur optimal für das Punktspiel gewappnet ist sondern ihm dieses sogar im Vergleich zum Training verhältnismäßig „leicht“ erscheint.
Tipps für ein erfolgreiches Koordinationstraining:
- Aufgrund der Komplexität ist volle Konzentration erforderlich. Vorermüdung ist kontraproduktiv.
- Motivation spielt eine große Rolle. Unterschiedliche Spiele, Trainingsmaterialien oder Partnerübungen fördern diese.
- Auf Vielseitigkeit und permanente Variabilität in der Trainingsgestaltung achten!
- Ein stetiger Wechsel der Informationsaufnahme durch die unterschiedlichen Analysatoren ist ein Muss!
Bleibt die Frage zu klären:
Wieviel Koordination steckt denn nun in der Leiter?
Trainer verwenden meist eine Koordinationsleiter, um an der Geschwindigkeit eines vorgegebenen Bewegungsmusters, z.B. vorwärts mit drei Kontakten pro Feld, zu arbeiten. Zeit- und Präzisionsdruck sind also gewährleistet.
Muss jedoch der Spieler bei jedem zweiten Feld eine mathematische Reihenfolge laut aufsagen (Komplexitätsdruck), auf Zuruf von der Vorwärts- auf eine Rückwärtsbewegung wechseln (akustischer Analysator, Situationsdruck) und bei nicht Erfüllen der Aufgabe zehn Liegestützen machen (psychischer Belastungsdruck), kommen wir der Koordination im ursprünglichen Sinne schon sehr nahe.
Nichtsdestotrotz fehlt ein wichtiges Element: Die technische Fertigkeit mit Ball in einem spielnahen Verhalten, das die Komplexität des Fußballs widerspiegelt.
Fazit:
Eine Koordinationsleiter kann - richtig eingesetzt - die Koordination verbessern. Um sämtlichen koordinativen Anforderungen im Fußball gerecht zu werden, ist sie jedoch als effektives Trainingsmittel limitiert.